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„Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch“, so lautet ein Werbeslogan der Agrarwirtschaft. Inzwischen landen die Erzeugnisse vom Acker nicht mehr nur auf dem Tisch, sondern zum Teil auch im Tank. Langstrohige Gräser und Getreidearten, die sich zur Spritproduktion besonders gut eigenen, gedeihen vor allem auf trockenen Böden. Sie werden mit dem Mähdrescher konventionell geerntet. In den Pflanzen sind Zucker und Stärke enthalten. Sie werden zur Treibstoffgewinnung zunächst zerhäckselt und gepresst. Die so gewonnene Masse lässt man gären. Aus dem vergorenen Brei kann nun der Alkoholanteil, das Ethanol, destilliert werden. Dieser Alkohol kann dann konventionellem Treibstoff beigemischt werden.

 

Während in Deutschland darüber diskutiert wird, ob ein Anteil von fünf (bisher) oder zehn Prozent (zukünftig) für Motoren verträglich und unbedenklich sei, fahren viele Autos in Brasilien sogar schon mit purem Bioethanol. Etliche Hersteller stellen bereits Fahrzeuge her, die auf den Betrieb mit Ethanol vorbereitet sind. Es gibt sogar „Flex-Fuel“ Ausführungen, die sowohl Benzin, als auch Ethanol oder ein Gemisch aus beidem akzeptieren. Dichtungen und Schläuche solcher Motoren sind besonders widerstandsfähig ausgelegt, damit der aggressivere Alkohol ihnen nichts anhaben kann. So kann der Autofahrer wählen, welcher Kraftstoff für ihn gerade am günstigsten ist, denn die gleiche Menge Ethanol ist nicht ebenso ergiebig wie klassisches Benzin.

 

Zuckerrohrpflanzen eignen sich zur Vergärung besonders gut und werden in Südamerika verstärkt angebaut. In Nordamerika verspricht Mais eine gute Ausbeute, in Europa verwendet man vor allem Zuckerrüben und Getreide zur Ethanolproduktion. Ökologisch gesehen ist Bioethanol weitgehend klimaneutral, da bei der Verbrennung nur die Menge Kohlendioxid frei wird, die die Pflanzen beim Wachstum aufgenommen haben. Auch Biodiesel aus pflanzlichen Ölen, die zum Beispiel aus Raps gewonnen werden, ist schon recht verbreitet. Ethanol soll nun die Chance eröffnen, auch dem Benzin anteilig mehr und mehr pflanzliche Grundstoffe beizumischen und damit unabhängiger von der Erdölversorgung zu werden. Der Vorteil von Biotreibstoffen ist, dass man sie in vielen vorhandenen Verbrennungsmotoren einsetzen kann. In der öffentlichen Diskussion dominiert zur Zeit das Elektroauto. Doch dafür braucht man zunächst eine völlig neue Fahrzeuggeneration.

 

Brasilien hat sein Ethanolprogramm schon Mitte der Siebziger Jahre als Konsequenz der damaligen Ölkrise ins Leben gerufen und fährt seitdem gut damit. Jährlich werden dort rund 30 Milliarden Liter Ethanol produziert. Mehr, als in jedem anderen Land. Ethanol deckt etwa die Hälfte des dortigen Spritverbrauchs. Die Tankstellen-Infrastruktur ist auf eine lückenlose Ethanolversorgung eingestellt. Damit hat Brasilien einen beachtenswerten Schritt in getan, um sich von Ölimporten unabhängiger zu machen. Etwa acht Millionen Hektar Land, was etwa 2,5 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ausmacht, sind mit Zuckerrohrpflanzen bewirtschaftet. Die wichtigsten Anbaugebiete konzentrieren sich im Staat Sāo Paulo.

 

Wie alle Agrarerzeugnisse ist auch die Produktion von Ethanol wetterabhängig. So kann es, je nach Ernteergebnis zu Preisschwankungen kommen, die sich bis an die Zapfsäulen weitergeben. Ethisch ist die Erzeugung großer Ethanolmengen in Europa umstritten. Die landwirtschaftlich verfügbaren Flächen sind nicht beliebig vermehrbar. Und niemand möchte riskieren, dass die Ethanolerzeugung zu Nahrungsmittelengpässen führt.