Wer an einem stürmischen Tag an der Küste beobachtet, wie die Wellen an den Strand oder auf die Felsen rollen, bekommt ein Gefühl dafür, wie viel Energie die Wellen haben. Auf See wird diese Kraft gefürchtet. Monsterwellen, in der Seemannssprache als „Kaventsmänner“ bezeichnet, können sogar Großtankern, Übersee-Frachtern und Bohrinseln zum Verhängnis werden. Die Erosion vieler Steilküsten, von denen immer wieder Land abbricht, zeigt, wie zerstörerisch die Wellenkraft auf Dauer auch an Land sein kann. Surfer suchen gezielt nach Küstenabschnitten, an denen besonders große Brecher heranrollen, die einen spektakulären Ritt mit dem Surfboard möglich machen, wie zum Beispiel vor Hawaii. Ein gefährliches Hobby. Wer die Kraft der Wellen unterschätzt, kann böse Überraschungen erleben.
Schon früh kam man auf den Gedanken, die Wellenkraft des Meeres „einzufangen“, um sie in elektrischen Strom umzuwandeln. In Europa eignen sich vor allem die Küsten von Irland, Schottland, Spanien, Portugal und Norwegen für Wellenkraftwerke. International gilt die Südküste Australiens als aussichtsreichster Standort zur Wellenenergiegewinnung. An guten Standorten können bis zu 30 kW Wellenenergie pro Meter Küstenlinie auftreffen. Um Erfahrungen zu gewinnen, wurde am 13. November 1985 in Norwegen, auf der vorgelagerten Insel Toftestallen, das erste Wellenkraftwerk Europas in Betrieb genommen. Man wählte diese Küste, weil sich in der Weite des Atlantiks große Wellenformationen auftürmen, die hier mit voller Wucht aufs Land treffen. Fast immer ist das Meer hier sehr bewegt, so dass eine gute Energieausbeute möglich ist. Zunächst funktionierte das neue Kraftwerk ausgezeichnet. Doch die auftreffenden Kräfte waren sogar noch stärker als erwartet: Bereits 1988 blies ein so starker Sturm, dass die Anlage zerstört wurde.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Wellenbewegung zu nutzen: Wenn das Wasser in einen geschlossenen Behälter einströmt und dabei Luft verdrängt, so kann die ausströmende Luft eine Turbine antreiben. Geht das Wasser zurück, so strömt die Luft wieder ein und treibt dabei nochmals die Turbine an. Das Wave Power Plant auf der Azoreninsel Pico testet dieses „OWC-System“. Das Kürzel „OWC“ steht für eine oszillierende (schwingende) Wassersäule. Auf der schottischen Insel Islay wurde 2001 ebenfalls ein Kraftwerk nach dem OWC-Prinzip in Betrieb genommen.
Ebenso ist es möglich, das einströmende Wasser zu kanalisieren und über eine Zuflußrampe zu bündeln, um ein großes Becken zu füllen. Beim Zurückströmen bewegt das Wasser einen Generator. Wie sich gezeigt hat, ist die mechanische Beanspruchung, die das Meerwasser, insbesondere das Salz, auf die Bauteile ausübt, erheblich.
Die Energie von Wellen wächst mit dem Quadrat ihrer Höhe. Das führt dazu, dass in schweren Stürmen ein Vielfaches der Belastung auftritt, die im Normalbetrieb entsteht. Die Komponenten müssen deshalb so dimensioniert sein, dass sie auch außergewöhnlichem Wetter standhalten.
Ein weiteres Verfahren besteht darin, mehrere gelenkig verbundene Schwimmkörper im Meer zu verankern. Das Ganze sieht wie eine Schlange aus. Die Wellenbewegung sorgt dafür, dass die einzelnen Module sich im Seegang bewegen. Die dadurch in den Gelenkverbindungen entstehende Bewegung, die Fachleute sprechen von „Hydrodynamik“, wird in elektrische Energie umgewandelt. Ein Prototyp mit vier Sektionen wird seit 2004 vor der schottischen Küste getestet. Er ist 150 Meter lang. Diese Bauart erhielt die Bezeichnung „Pelamis“, was soviel wie „Seeschlange“ bedeutet. Seit 2008 wird in Portugal ein ähnliches System erprobt. Für 2013 ist eine regelrechte Hydroenergie-Farm mit 25 Pelamis Aggregaten in Englands Südwesten vor Cornwall geplant.
Die Herausforderung ist es nun, Anlagen zu entwickeln, die durch standardisierte Teile eine kostengünstige Herstellung gewährleisten. Andererseits sollen sie so flexibel gestaltbar sein, dass sie sich verschiedenen geologischen Gegebenheiten anpassen lassen. Zweckmäßig wäre es beispielsweise, wenn ein Wellenkraftwerk beim Bau einer neuen Hafenmole integriert werden könnte.
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