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Georges Claude gehört zu den vergessenen Erfindern, deren Schaffen bis heute nachwirkt. Als Erfinder der Leuchtstofflampe gebührt ihm nun sogar die unverhoffte Ehre, den ersten Schritt in Richtung der heute zunehmend verwendeten Sparlampen getan zu haben. Er war es nämlich, der 1909 die ersten praktisch einsetzbaren Leuchtröhren präsentierte, für die er 1915 ein Patent erhielt.

Rund 250 Erfindungen gelangen ihm im Laufe seines Lebens. Die wichtigsten betreffen den Gesamtbereich der Gasverflüssigung. Damit schuf er die grundlegenden Verfahrenstechniken für die kommerzielle Gasveredelung. Seine Firma Air Liquide ist bis heute eines der weltweit bedeutendsten Unternehmen für Edelgase die in Industrie, Medizin und Umweltschutz zum Einsatz kommen. Mit Carl von Linde, dem deutschen Pionier für Verfahren der Luftzerlegung, der Kältetechnik und Gründer der Linde AG, hatte er intensiven Kontakt.

1870 kommt Georges Claude in Paris als Sohn eines ehemaligen Volksschullehrers zur Welt. Bis zum Alter von 16 Jahren wird der Sohn vom Vater selbst unterrichtet. Erst danach besucht Georges Claude die städtische Chemie- und Physik-Schule. Auch der Vater hatte eine Neigung zum Experimentieren, Tüfteln und Erfinden. Das mag auf den Sohn abgefärbt haben.

Claudes Erfolg fußt sicher darauf, dass er nicht nur äußerst sattelfest im Bereich der Physik und Chemie war und äußerst intensiv forschte, sondern immer auch den Kontakt zur praktischen Verwendbarkeit suchte. Er bemühte sich stets, seine Erkenntnisse in Produkte münden zu lassen und gründete dafür zahlreiche Unternehmen.

Besonders die Flüssigluftindustrie basiert maßgeblich auf Claudes Grundlagenforschung. Mit den von ihm entwickelten Neongas-Kaltkathodenröhren illuminierte er 1910, anläßlich der Automobilausstellung, die Fassade des Pariser Grand Palais in orangefarbenem Licht. Durch Weiterentwicklung gelang es ihm schließlich, ein weißes, neutrales Licht zu erzeugen. Und das bei geringerer Wärmeentwicklung und niedrigerem Stromverbrauch als bei vergleichbaren Glühlampen.

Als Mensch ist Georges Claude bis heute, auch und gerade unter seinen französischen Landsleuten, umstritten. Er galt als Großmaul, extremistisch, unverträglich und antidemokratisch. Politiker und manche seiner Kollegen, wie zum Beispiel Edison, wurden von ihm oft wüst beschimpft. Außerdem galt er als skurril, da sein angeborener Spieltrieb auch vor scheinbar sinnlosen Experimenten und Geräten im Stil von Daniel Düsentrieb nicht Halt machte. Vereinzelt wurde er sogar als verblendetes Genie bezeichnet. 1914, zu Beginn des ersten Weltkrieges, steuerte Claude Ideen für zahlreiche neuartige Waffenkonzepte bei, die aber zum Großteil nicht ernst genommen wurden. Besonders verübelt wird ihm, dass er im Zweiten Weltkrieg offen für eine Zusammenarbeit mit den Nazis eintrat und antisemitische Überzeugungen erkennen ließ.

Georges Claude galt zeitlebens als Außenseiter. Das beunruhigte ihn nicht sonderlich, da er auf wirtschaftlicher Ebene stets großen Erfolg hatte. Erst 1924 nimmt die Akademie der Wissenschaften ihn als Mitglied auf. Mit einem Meereswärmekraftwerk scheitert er in den 30er Jahren an der praktischen Umsetzung und verliert erhebliche Investitionen.

Claude glaubte an ein geeintes Europa unter Hitler. Noch vor Kriegsende wird er deshalb wegen Hochverrats zu lebenslanger Haft verurteilt. 1950 wird er begnadigt und 1954 amnestiert. In seinen letzten Lebensjahren verfaßte er seine Biographie. Am 23. Mai 1960 starb Georges Claude im Alter von 90 Jahren.